Opfer von Gewalt – weil wir schwul sind

Nach einem Drink in der Lobby-Bar verabschiedte ich mich letzte Nacht von meinem Date, das bereits wieder nach Hause wollte. Als er mir dann auf den Mund küsste, war mir klar, dass er andere Absichten hatte und wohl nicht alleine nach Hause wollte. Also machte ich mich mit ihm auf den Weg. Wir schlenderten das Limmatquai entlang und nach dem Central geradeaus weiter. Plötzlich hörten wir Rufe hinter uns und eine Bierflasche kam uns entgegengeflogen. Wieder so ein betrunkener Irrer, dachte ich mir. Doch dann fing er an zu rufen "Ihr verdammten Schwulen...". Der Kollege, der sein Fahrrad dabei hatte, sagte mir nur: "Komm, wechseln wir die Strassenseite". Doch ich blieb stehen. Der Typ, der auf mich zukam war einer aus dem Balkan (was ich durch seinen Akzent rasch merkte), war etwas kleiner als ich, braune kurze Haare mit einem braun-weiss gestreiften Pulli. Als er mich dann schlagen wollte, rannte ich davon. Ich hätte aber viel zu weit rennen müssen, um ihn abzuhängen und dies lies meine Kondition nicht zu. Mein Date rief unterdessen die Polizei an. Da stand ich nun in einer Ecke einer grossen Eingangstür zu einem städtischen Amt, als der Typ mir die Faust voll ins Gesicht schlug. Ich fragte ihn, wie er darauf kommt, dass wir schwul sein sollten. Er hatte uns gesehen, als mein Date mich am Limmatquai geküsst hatte. Der Typ musste uns also ein ganzes Stück gefolgt sein. Erst am Neumühle-Quai – wo es keine anderen Leute hatte – schlug er zu. Dann sah ich, dass der Typ noch einen Kollegen dabei hatte: Schwarze Haare mit Kinnbärtchen, gepflegt mit Hemd und Lederjacke. Er stand nur da und schaute zu. Ich hielt unterdessen die Unterarme des anderen fest, damit er nicht erneut zuschlagen konnte. Er war so wütend auf mich. Er konnte sich aber nicht lösen von mir, da er doch nicht so kräftig war. Und ich sagte ihm, dass ich ihn erst loslassen würde, wenn er verschwinden würde. "Wir werden hier von einem Typen angegriffen, kommen sie schnell. Wir sind hier gegenüber vom Hauptbahnhof...", hörte ich meinen Kollegen am Telefon. Der Komplize in der Lederjacke wollte dann auf ihn los und ihm das Fahrrad aus der Hand nehmen. Doch das gelang ihm nicht. Dann schlug der Typ, der bei mir stand mit seinem Kopf gegen meinen. Dann meinte er nur: "Wir hätten Glück... wenn hier nicht so viele Bullen wären...", dann rannten die beiden davon. Geschockt setzte ich mich und es kamen ein paar Tränen. Dann stand ich auf und umarmte meine Begleitung. Er war mein Retter und Held. Weiss nicht, wie das ausgegangen wäre, wenn er nicht die Polizei gerufen hätte oder wenn der Typ gar eine Waffe dabei gehabt hätte. Wenige Minuten später traf die Polizei mit Blaulicht ein. Wir erzählten, was vorgefallen war und gaben eine Personenbeschreibung ab. Wir fanden es aber zwecklos, mit der Polizei noch mitzufahren und nach den Tätern ausschau zu halten. Mein Kollege würde heute noch eine Anzeige gegen Unbekannt einreichen. Und so verliessen wir den Tatort, den Schrecken noch in unseren Knochen sitzend.

Dass Schwule Opfer von Gewalt werden, liest und hört man immer wieder. Nun war ich selbst beteiligt. Wir sind und bleiben eine Randgruppe, die damit leben muss, nicht von allen geachtet und akzeptiert zu werden. Auch wenn wir im Jahr 2009 und in einer weltoffenen Stadt wie Zürich leben, Vorsicht ist immer geboten. Trotzdem sollten wir uns nicht einschüchtern lassen und uns deswegen nicht verstecken. Aber man sollte etwas darauf achten, was für Leute gerade in der Umgebung sind, denen das nicht passen könnte.